Das war eine Entdeckung dieses Sommers 2023: Ein Wein, der mit einer besonderen Geschichte überzeugt. Bei der Veranstaltung „Mythos Mosel“ hatte ich Anfang Juni die Gelegenheit, viele unbekannte Winzer und Weine zu entdecken. Der Wein, um den es hier geht, stand da aber gar nicht auf dem Programm.
Bei „Mythos Mosel“ öffnen am Wochenende nach Pfingsten jeweils auf einem anderen Moselabschnitt gut drei Dutzend Weingüter ihre Pforten. Sie beherbergen an dem Wochenende außerdem zahlreiche Gastwinzer, so dass es insgesamt 120 Winzer und mehrere Hundert Weine kennenzulernen gab.
Der geheimnisvolle Wein unterm Tisch
Wir verbrachten auf einer Wiese an der Mosel eine gute Zeit mit Blick auf die Brauneberger Juffer, eine von den prominentesten Weinlagen an der Mosel. Auf dem Weg zum Shuttlebus machten wir Station auf dem Hof des Weinguts Fritz Haag. Hier beobachtete ich zufällig, wie die Winzer von den Nachbarständen immer wieder mit ihrem leeren Glas zu einem bestimmten Mitaussteller gingen. Es fielen Sätze wie: „Hast Du davon noch was?“ Jedes Mal, wenn ein Kollege zu ihm kam, griff der Winzer unter den Tisch nach einer bauchigen Flasche. Nach dem Einschenken verschwand sie wieder im Schatten unter dem Tisch.
Meine Neugier war geweckt, und ich fragte höflich nach einer Kostprobe des geheimnisvollen Weins. Und was Johannes Haart mir dann netterweise einschenkte, war schlichtweg fantastisch: Ein goldgelber Riesling-Winzersekt „brut nature“, in Ehren gereift, von 2014 bis 2021 auf der Hefe. Dieser Sekt beeindruckte mich durch seine bei aller Trockenheit üppige Fruchtigkeit sowie Noten von Brioche, die einem schon beim ersten Schnuppern entgegenkommen, und einer feinen Würze.
Sommer an der Mosel bei Bernkastel-Kues.
Feine Perlage
Obwohl der Wein analytisch keinerlei Restzucker enthält, vermisst man diesen angesichts der Aromenvielfalt auch gar nicht, und 13 Volumenprozent Alkohol tragen das ihre zu einem ausbalancierten Süße-Säure-Spiel bei. Der Grundwein wurde bereits im Jahr 2014 zusammen mit der Hefe in Flaschen gefüllt und anschließend über 60 Monate lang „auf der Hefe gelagert“. Mit anderen Worten: Hefe und Zucker rein, Flasche zu, und dann das Ergebnis abwarten. Dadurch hatten die Aromen alle Zeit der Welt, sich wunderbar im Wein zu verteilen und eine ganz feine „Perlage“ zu entwickeln.
Perlage, das sind die feinen Kohlendioxid-Bläschen, die nach dem Einschenken aus dem Glas aufsteigen. Das gelöste Kohlendioxid stammt aus der zweiten Gärung in der Flasche. Wird die Flasche geöffnet, geht es in die Gasphase über – Perlchen für Perlchen.
Der Sekt, der Winzern schmeckt
Der Riesling-Sekt „brut nature“ ist der einzige Schaumwein auf der Weinkarte des VDP-Weinguts Haart in Piesport. Johannes Haart sagte mir, er habe den Sekt so gemacht, wie er ihm am besten gefallen hat. Und ganz offensichtlich waren auch die anderen Winzer vom Ergebnis überzeugt.
Für mich war es eine der großen Entdeckungen dieses Sommers. Die Verbindung aus Entdeckerstolz, außergewöhnlicher Geschichte und Genuss macht aus einem tollen Wein einen großartigen Wein!
Apropos „brut nature“: Die Bezeichnung weist darauf hin, dass der Winzer dem Sekt keine zusätzliche Süße mitgegeben hat. Im letzten Schritt des Flaschengärungsverfahrens zur Sektherstellung, dem „Degorgieren“, entfernt der Winzer die beim „Rütteln“ in den Flaschenhals gesunkene Hefe. Da dadurch ein Teil des Inhalts verloren geht, muss die Flasche vor dem Verkorken wieder aufgefüllt werden. Das kann mit einer so genannten „Versanddosage“ geschehen, die auch eine exakt abgemessene Menge Süßwein beinhalten kann. Damit lässt sich der Zuckergehalt des Sekts im Rahmen der vorgegebenen Grenzen auf den gewünschten Süßegrad einstellen. Übrigens ist Sekt, der als „trocken“ bezeichnet wird, spürbar süß – im Gegensatz zum Stillwein „trocken“. Der trocken wirkende Sekt wird mit „brut“ oder „extra brut“ klassifiziert. Der Zusatz „nature“ weist auf den Verzicht auf zugesetzte Süße hin. Und da bei der zweiten Gärung sämtlicher Zucker dem Appetit der Hefe zum Opfer gefallen sind, ist das dann auch garantiert die trockenste Variante des Sektes.
Fotos: Benjamin Wong auf Unsplash (Titel), und Andreas Archut