Beste Weine und Winzer wurden in Ahrweiler prämiert. Ich war dabei! (also nicht bei den Prämierten…)
Für mich war es eine besondere Premiere: Mit Tusch und Fanfare wurde ich auf die Bühne geleitet, um vor einem weinseligen Publikum – darunter viele frisch prämierte Ahrwinzer – einen Redebeitrag zu leisten. Meinen ersten „Auftritt“ bei der diesjährigen „Ahrwein des Jahres“-Preisverleihung wird eine unvergessliche Erfahrung bleiben. Hier ein Auszug meines Beitrags:
Guten Abend! Ein Traum wird wahr! Ich darf auf die Bühne beim „Ahrwein des Jahres“! Hier oben hat man den Überblick: Ich sehe lauter Gewinner! Das muss ein tolles Gefühl sein, wenn die ganze harte Arbeit im Weinberg und im Keller solche Anerkennung findet. Allen Gewinnern der diesjährigen Prämierung meinen allerherzlichsten Glückwunsch!
Sehr clever von Ihnen, die Preisverleihung hier in die Bank zu verlegen! Die Botschaft kommt an: Investieren Sie in Wein! Natürlich in Ahrwein! Wein ist schließlich eine perfekte Geldanlage! Jedes Mal, wenn Sie eine Weinflasche öffnen, können Sie die „emotionale Rendite“ einstreichen. Wo sonst kriegt man für sein Erspartes noch 12 Prozent und mehr? Da bekommt der Begriff „liquide Mittel“ eine ganz neue Bedeutung!
Die lebensverlängernde Wirkung von Ahrwein
Aber kann Wein auch als Altersvorsorge dienen? Schließlich heißt es ja: „Rotwein ist für alte Knaben, eine von den besten Gaben“. Immerhin ist bekannt, dass Ärzte und andere medizinische Dienstleistungen im Ahrtal bis heute oft mit Wein bezahlt werden – man kann also sagen, Wein hat hier definitiv eine lebensverlängernde Wirkung! Doch allzu lange liegenlassen sollte man Wein genauso wenig wie sein Erspartes. Wein und Geld müssen fließen. Aber, wenn ich mich hier so umschaue, ist diese Botschaft längst angekommen!
Nach all der Expertise heute Abend stehe ich ja hier eher stellvertretend für die Konsumentenfraktion. Die vielen Fans des Ahrweins da draußen. Die Sollseite des Absatzmarktes. Das feuchte Ende der Nahrungskette. Sie machen den Wein, wir trinken den Wein. Aber als Verbraucher ist man schnell verwirrt! Da sucht man Orientierung! Etwa bei dem „Phänomen Urlaubswein“: Am Gardasee schmeckte der Wein sooo toll. Bei 30 Grad mit den Füßen im Wasser und einem Wahnsinnsblick auf die Berge. Spontan zehn Kisten davon gekauft, ins Auto geladen, heimgefahren. Zu Hause dann die Enttäuschung: der Bardolino Extra Triviale schmeckt nicht mehr! Was lernen wir daraus? Genießt Euren Urlaub, aber kauft Euren Wein gefälligst hier in der Heimat! Und nett ist es hier schließlich auch. Denn das ist bemerkenswert: Überall, wo Wein angebaut wird, ist es auch schön. Aber am Schönsten ist es natürlich hier im Ahrtal!
Wie kommt die Wahrheit in den Wein?
Es heißt ja auch: „Im Wein liegt die Wahrheit“. Aber ist der Zusatz von Wahrheit überhaupt erlaubt? Müsste das nicht auf dem Etikett deklariert werden? „Kann Spuren von Wahrheit enthalten!“ Als Verbraucher möchte ich natürlich auch wissen: Wie ist die Wahrheit überhaupt in den Wein reingekommen? Ich finde ja schon Füße im Most unhygienisch. Aber Wahrheit?
Also ich würde mich nicht als Weinexperten bezeichnen. Nicht jeder, der Chemie studiert hat und gelegentlich mal ein Glas Wein trinkt, ist schon ein Weinakademiker. Als Chemiestudent lernt man eine Unmenge an Stoff – nur wenig davon hilft einem im Alltag weiter. Immerhin hat man uns eingeschärft, nicht am Reagenzglas zu schnuppern!
Das war nicht immer so: Im 19. Jahrhundert gehörten die Geruchs- und Geschmacksprobe noch fest zur chemischen Analytik. Entsprechend war dann leider auch die Lebenserwartung. Aber das erklärt Trivialnamen wie „Bleizucker“. Mein halbes Studium habe ich gerätselt, warum Blei-Acetat so heißt. Nun, „Bleizucker“ schmeckt offenbar süßlich, ist wasserlöslich – und war früher viel billiger als normaler Zucker. Darum landete das Gift bis ins 19. Jahrhundert im Wein. Auch Ludwig van Beethoven soll gepanschter Wein ins Grab gebracht haben. Dem Maestro wurde der billig „geschönte“ Wein in den Wiener Heurigen zum Verhängnis. Zum Glück ist Weinpanschen heute aus der Mode gekommen. Man wird heute zu schnell erwischt! Im Labor kannst Du alles auf Knopfdruck nachweisen.
Wein und Halloween
Vergifteter Wein? Ganz schön gruselig! Aber es passt: Schließlich ist heute Halloween. Das Wort kommt von „All Hallows‘ Eve“, also „der Abend vor Allerheiligen“. Gut, nach all dem Lob hier rechnen wohl einige Ahrwinzer schon fest mit ihrer Heiligsprechung. Wer das glaubt, wird selig! In der Halloween-Nacht geht es eher ums Gruseln und Erschrecken. Und Leckereien. „Trick or Treat“ rufen die verkleideten Kinder in der Halloween-Nacht. „Süßes oder Saures!“ „Süßes oder Saures!“ – Früher musste man sich als Winzer noch entscheiden, wo man da steht. Heute ist das nicht mehr die Frage. Klimawandel hat eben nicht nur Nachteile.
Die Sache mit dem Terroir
Aber mit „Süßes oder Saures!“ wird man einer so komplexen Angelegenheit wie dem Ahr-Frühburgunder natürlich nicht gerecht. Diese Pracht, diese Vielfalt, diese Aromen! Rebsorten wie der Früh- und der Spätburgunder zeigen die Hand derjenigen, die den Wein machen. Terroir nennt man das dann. Wieder so ein Weinbegriff, der für uns Laien schwer zu fassen ist. Mit Chemie kommst Du da gar nicht weiter. Und trotzdem weiß jeder hier im Saal, dass es eben nicht nur darauf ankommt, wo der Wein gewachsen ist, sondern auch, wer ihn gemacht hat. Zwei Zeilen nebeneinander – können zwei sehr verschiedene Weine ergeben. Wie sonst könnte man heute Abend – und das völlig zu Recht – solch verdiente Preise verleihen? Da kommt man ins Schwärmen!
Ein bekannter Weinkomödiant hat mal gedichtet: „Wein ist Poesie in Flaschen“. Das macht Sie, liebe Ahrwinzer, zu den Poeten. Und die Hauptsache des heutigen Abends, den Ahrwein, – zu einem Gedicht. Mehr muss man dazu nicht sagen.
Foto von Giorgio Trovato auf Unsplash